Interview mit der Grafikerin Carolin Horbank

Interview mit Carolin Horbank_Portrait

Wir haben die Grafikerin unserer Gemeindehomepage, Carolin Horbank, zum Interview geladen und sie gebeten, uns rückblickend mal mit durch den Entstehungsprozess von Website und Logo zu nehmen. Eine spannende Reise. Und wenn Du nach der Lektüre Dir noch einmal unsere neue Homepage anschaust, schaust Du vielleicht noch mal ganz neu darauf und entdeckst wieder, wovon Carolin uns berichtet.

Das Logo nehmen wir uns in einem weiteren Bericht noch mal ganz genau unter die Lupe.

 

Beate: Die neue Gemeine-Homepage ist so gut wie vollbracht. Auf einer Skala von überhaupt nicht bis über die Maßen: wie zufrieden bist Du mit dem Ergebnis?

Carolin: Sie ist sehr schön geworden. Da ist viel Gutes dabei, aber es gibt immer Luft nach oben. Man könnte noch mehr Vielfalt und Raffinesse in die Seiten bringen und an manchen Proportionen feilen. Schlussendlich bevorzuge ich aber die schlichte Funktion gegenüber der überladenen Spielerei.

Was so harmonisch und rund aussieht, ist das Ergebnis eines arbeitsreichen Weges. Kannst Du uns mal grob skizzieren, wie Du an so ein Projekt rangehst und was alles dazu gehört, bis dann ein Programmierer Deine Ideen umsetzen kann?

Oft wird gedacht: Wenn man eine neue Homepage haben will, setzt man sich hin und baut eine neue Homepage, sucht ein paar schöne Bilder raus und schreibt ein paar nette Texte. Aber eigentlich muss vorher schon viel passieren, was erst einmal gar nichts mit der Homepage zu tun hat. Man muss sich die Fragen stellen: Wie wünschen wir uns unser visuelles Erscheinungsbild insgesamt? Was ist unser aktuelles Problem? Warum haben wir das Bedürfnis, dass sich was ändert? Was ist unsere Zielsetzung? Wie wollen wir wahrgenommen werden?

Visuelle Wahrnehmung hat viel mit Psychologie zu tun, mit Strategie und Analyse. Das ist auch bei Euch passiert. In kleineren oder größeren Gruppen. Wir haben viel mit Worten und Bildern gespielt, einiges ausprobiert, vieles ausgelotet und wieder verworfen und nachjustiert. Am Ende konntet Ihr beschreiben, wer Ihr seid und wie Ihr wahrgenommen werden wollt.

Dazu warst Du ja auch mal in unserer Gemeinde »schnuppern«. Was hast Du da mitgenommen?

Gemeinden sind ja sehr unterschiedlich und ich hatte auch schon mit Vielen sowohl privat als auch beruflich zusammengearbeitet. Mir war dabei wichtig herauszufinden: Wie ticken die eigentlich? Was ist deren Grund-DNA? Welche Atmosphäre herrscht da vor? Und es war sehr gut, dass ich da war. Ich habe vor allem eine ganz besondere Diskrepanz/Balance bei Euch festgestellt. Einerseits gehört Ihr zur Landeskirche und habt viele klassische Elemente bei Euch in der Gemeinde. Da ist ganz viel Fundament und Beständigkeit da. Und gleichzeitig seid Ihr sehr untypisch für eine Landeskirche, weil bei Euch was ganz Individuelles, Lebendigkeit und Lebensfreude zu spüren ist. Das fand ich sehr interessant, und so habe ich das bisher auch noch nirgendwo anders erlebt.

Daraus ergab sich natürlich für mich die spannende Frage, wie man diese beiden Standbeine, diese »harmonischen Gegensätze«, wie Martin Schleske sagen würde, visuell zusammenbringt.

Jetzt verbinden wahrscheinlich alle Gemeinden ähnliche Themen wie Glaube, Gemeinschaft und Nächstenliebe. Warum sieht dennoch nicht jede Gemeinde-Homepage aus wie die einer anderen? Was hast du bei uns »gefunden«, was Dich zu Deinen Designentscheidungen inspiriert hat?

Na ja, mir sind eben jene Gegensätze aufgefallen. Einerseits das traditionelle, andererseits das sehr Moderne, Zeitgemäße. Auch der Altersdurchschnitt der Besucher war sehr durchmischt. Bei Euch gibt es alle Altersgruppen und alle Gesellschaftsschichten sind vertreten, hatte ich den Eindruck. Also sehr bunt und divers und gleichzeitig eine große Bodenständigkeit. Das fand ich sehr sympathisch.

Und wo wie spiegelt sich das in Deinem Design wider? Was sind da im übertragenen Sinne Deine Schrauben, an denen Du drehst?

Es gibt diese drei Faktoren, die ein Design ganz grundlegend beeinflussen: Farbe, Schrift und Bildsprache. Das sind auch die Stellschrauben, bei denen ich versucht habe, die entsprechenden Elemente in der jeweiligen Sprache darzustellen. Die Schriftart Work Sans zum Beispiel ist eigentlich eine klassische Schrift. Die ist nicht ausgefallen oder hyper-modern, sondern eher klassisch und hat trotzdem durch die Linienführung Elemente von einem modernen Retrostil. Das sieht man zwar gerade relativ häufig, und trotzdem läuft die Schrift nicht Gefahr, irgendwann wieder unmodern zu wirken. Damit ist in der Schrift schon ganz viel »Feeling« und Formsprache definiert.

Dann haben wir ein Farbkonzept entwickelt, was sowohl eine gewisse Energie und Kraft hat, durch den Pfirsich-Ton, dieses Rot. Das wird von einem entsättigtem Farbschema mit Petrol und Gold wieder aufgefangen. Hier haben wir eine Symbiose, die in einem aktiven und trotzdem unaufgeregten Farbbild abgebildet wird. Das Farbschema überträgt sich dann auch auf die Bildsprache. Hier guckt man, dass die Farben in den Bildern wieder aufgegriffen werden. Und natürlich auch im Logo, in der Bildmarke findet sich das wieder: die klaren, modernen Formen mit einer relativ traditionellen Formsprache.

Danke für die sensationelle Überleitung zu meiner nächsten Frage. Ich nehme an, dass ein Logo-Entwurf noch mal eine ganz spezielle Herausforderung ist. Was muss ein Logo eigentlich alles »können«.

Als allererstes sage ich immer: Ein Logo ist nicht die Philosophie einer Firma, die in eine Form gepresst wird, nach dem Motto: Alle meine Werte müssen darin Platz finden. Das ist es nicht. Es sollte eine gewisse Aussage haben, zu Euch passen und einen hohen Wiedererkennungswert haben. Und im besten Fall findet man noch eine Formsprache, die subtil eine Botschaft transportiert.

Wichtig ist, dass das Logo zu Eurem »Look and Feel« passt, also dem Drumherum. Daher haben wir in den Entwicklungsgruppen immer erst mit sogenannten Moodboards gearbeitet, also mit atmosphärischen Collagen, die widerspiegeln, wie die Atmosphäre sein soll, wie die Emotionen, wenn man sich die Homepage oder was auch immer anguckt. Da muss das Logo reinpassen. Es darf nicht wie ein Fremdkörper wirken.

Dann gibt es noch Fragen, die man sich im Vorfeld beantworten muss: Was muss unbedingt ins Logo rein; welche Symbolik ist uns extrem wichtig? Gerade bei Gemeinden stellt sich ganz oft die Frage, ob das Kreuz dabei sein muss oder nicht. Oder gibt es etwas in unserem Leitbild oder was uns sonst ganz besonders macht, oder gibt es eine Symbolik, die seit Jahrhunderten schon dieser Gemeinde eigen ist?

Das finale Moodboard für die Neugestaltung des Außenauftritts der Andreasgemeinde Leipzig
Das finale Moodboard für die Neugestaltung des Außenauftritts unserer Gemeinde

Kannst Du uns noch mal mit durch diesen Prozess nehmen?

Gute Frage. Bei den Diskussionen um die Moodboards ist mir aufgefallen, dass viele auf die sakralen Elemente angesprungen sind und gleichzeitig viele das Moderne, Reduzierte sehr schön fanden. Hier wusste ich also, dass das Eure Richtung, Euer Herzschlag ist. Dann habe ich erst mal viel recherchiert, mir viel angeguckt und Inspiration gesammelt. Danach habe ich mir überlegt, wie ich die Optionen, die wir haben: Herz, Kreuz, Fisch [in Anlehnung an das offizielle Siegel der Gemeinde, A.d.R.] in eine Form bringe, die sich in das Moodboard gut eingliedert.

Ich habe viel skizziert, viel mit der Hand gezeichnet, viel digitalisiert, verworfen oder noch mal nachjustiert. Ich habe auch einfach mal nur gespielt und mich überraschen lassen, was da entsteht.

In unserem neuen Logo steckt alles drin: Ein A wie Andreasgemeinde, ein Kreuz in Anlehnung an das Andreaskreuz, ein Fisch und ein Herz, was über Jahrzehnte unser Logo war. Sind das freudige Nebenprodukte oder hast Du diese gezielt mit eingebaut?

Schon gezielt mit eingebaut. Ich war irgendwann an dem Punkt, an dem ich wusste, es soll ein Mandala-artiges Symbol werden, weil man damit einfach viel machen kann. Ich bin in der Zeit auch viel bewusster an Kirchen vorbeigegangen und habe mir die Fenster angesehen. Ich war erstaunt, wie häufig solche floralen, rhythmischen Formen in historischer Architektur vorkommen und wie viel darin verbaut ist.

Dann habe ich mir überlegt, wie ich Eure Symbole in diese Formsprache bringen kann und es trotzdem noch eine schöne Gesamtform ergibt. Ich hatte auch andere Entwürfe, wo weniger Symbole drin waren, oder auch mal nur eines davon. Und dieses eine Logo hat dann gewonnen, eben weil es so viele Symbole transportiert.

Welchen Bezug hast Du persönlich zu Gott, Glauben und Gemeinde?

Einen langjährigen und sehr persönlichen (lacht). Ich bin klassisch christlich aufgewachsen: christliches Elternhaus, war bei allen Jugendangeboten dabei, habe selbst Jugendarbeit gemacht. Ich bin mit Jesus unterwegs und versuche jeden Tag aufs Neue, seine Liebe zu verstehen und weiterzugeben.

Er ist auf jeden Fall auch in meiner Arbeit dabei. Ich bete jeden Tag, dass er mir hilft, etwas Sinnhaftes zu schaffen. Und merke auch, dass ich da auf seine Gnade angewiesen bin. Oft denke ich: Wenn er mich nicht befähigt – aus mir heraus kann ich das nicht. Aber ich habe auch immer wieder ein Projekt, entweder eines, das mir besonders wichtig ist, oder das besonders gut werden soll, dann lege ich das Projekt Gott ganz konkret noch mal vor die Füße.

Einmal ging es um ein Re-Design eines Events und ich hatte keinen Schimmer, wie ich das lösen soll. Ich war mit meinem Hund in der Natur unterwegs und hatte dabei eine stille Zeit und intensives Gebet. Als ich dann wieder auf dem Heimweg war, lag da dieser Stein im Weg, zum Teil weggeputzt. Über den bin ich gestolpert. Die Form des Steines war genau die Inspiration, die ich brauchte. Und ich dachte: geil, wie liebevoll kann Gott sein – sogar in solchen kleinen, alltäglichen Fragen!

Was für ein schönes Erlebnis! Vielen herzlichen Dank für diese wertvollen Einblicke in Deine Arbeit und unsere neue Homepage samt Logo, Caro!

 

Das Interview führte Beate Kortung mit Carolin Horbank Mitte Juni via Zoom. https://caro.graphics/