Exkursion nach Theresienstadt

»Theresienstadt? Ja, habe ich schon gehört. Keine Ahnung, was da eigentlich los war. War es ein KZ oder ein Ghetto für Juden wie das berühmte Warschauer Ghetto?«

Solche oder ähnliche Fragen haben wir oft gehört und uns deshalb vor einem Jahr auf den Weg gemacht, um diesen Ort kennenzulernen.

Theresienstadt ist eine böhmische Kleinstadt ca. 50 km nördlich von Prag. Sie wurde zwischen 1780 und 1790 als Festungs- und Garnisionsstadt vom österreichischen Kaiser Joseph II. erbaut und zu Ehren seiner Mutter Maria Theresia »Theresienstadt« genannt. Im Jahr 1941 entschieden die National­sozialisten, den Ort in ein Ghetto für Juden aus ganz Europa umzuwandeln. Es wurde ein Sammel- und Zwischen­lager vor den weiteren Transporten in die Vernichtungs­lager im Osten.

Nach unserer ersten Erkundungsfahrt entschieden wir, auf jeden Fall mit einer größeren Gruppe wiederzukommen. So machten wir uns am Sonnabend, dem 3. Mai, mit 16 Leuten in zwei Kleinbussen auf den Weg.

Unsere Exkursion begann in der sogenannten »Kleinen Festung«, einem gewaltigen Bollwerk, in dem sich ein berüchtigtes Gefängnis befand. Wir waren erschüttert von den Lebens­bedingungen zu hören, unter denen ins­besondere die jüdischen Gefangenen leiden mussten. Hunger, katastrophale hygienische Bedingungen und Folter waren an der Tagesordnung. Besonders haben mich die Dunkel­zellen erschüttert, in denen Gefangene nach schwerer Arbeit die Nächte über stehen mussten.

Nach einer Mittagspause in einem Bistro begann Teil 2 unserer Exkursion. Zuerst besuchten wir das Ghetto-Museum. Das Erdgeschoss ist den Kindern gewidmet. Etwa 11.000 Jungen und Mädchen unter­schied­lichsten Alters wurden in der Zeit von 1941–45 von ihren Familien getrennt und in Kinderhäusern unter­gebracht. Nur etwa 1.600 von ihnen konnten von der Roten Armee befreit werden. Alle anderen wurden in Konzentrations­lager geschickt und kamen um.

Im 1. Stock erfuhren wir von den Transporten ins Ghetto und weiter in die Vernichtungs­lager.

Weiter ging es über den Marktplatz in die ehemalige Magde­burger Kaserne, die zu NS-Zeiten Sitz der jüdischen Selbstverwaltung war. Wir sahen Auszüge aus einem haar­sträubenden Propaganda­film, den die National­sozialisten drehen ließen, um der Welt zu zeigen, wie »human« sie mit den Juden umgehen. Alle, die bei diesem Film mitgewirkt haben, wurden danach sofort nach Auschwitz deportiert. Wir besuchten einen Theaterraum mit verschiedenen Requisiten, einen Schlafsaal und sahen eine Vielzahl von Zeichnungen, die Künstler im Verborgenen vom alltäglichen Grauen im Ghetto angefertigt haben.

Dann ging es weiter in eine beeindruckende Betstube, die mit wunder­barer Wand­malerei verziert wurde. Irgendwie konnte man in dem Raum noch die Gebets­atmosphäre spüren. Über dieser Betstube befindet sich die Nachbildung einer winzig kleinen Wohnung. Davon gab es allerdings nur wenige, die für privilegierte Ghetto­bewohner vorbehalten waren.

Unseren Rundgang beendeten wir mit Gebet am Stadtwall, der das ganze Areal umgibt.

Ein interessanter und beeindruckender Tag ging zu Ende.

Heute leben in Theresienstadt ca. 3.000 Tschechen unter eher ärmlichen Bedingungen.

Kerstin Kluge